Züge und Energie: Eine kleine Geschichte über Schweiß, Dampf und Wasserstoff

 

Viele Experten, Wissenschaftler und Machthaber aller Art sind der Ansicht, dass Wirtschaft nichts anderes ist als „umgewandelte Energie“. In der Tat könnte man zustimmen, dass jede Wirtschaftsleistung irgendwann durch irgendeine Form von Energie angetrieben werden muss – ob diese Energie nun auf Kohlenstoff basiert, erneuerbar ist oder von einem Gehirn geliefert wird, das Kalorien verbrennt, um zu funktionieren.
Wenn wir bedenken, was die Eisenbahn für die menschliche Zivilisation im Allgemeinen und für die wirtschaftliche Entwicklung, die Kommunikation und den Komfort im Besonderen geleistet hat, wird uns schnell klar, wie wichtig Energie und ihre Umwandlung in der Tat sind. Eisenbahnen verdienen einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle der Erfindungen und haben enorm dazu beigetragen, die Welt zu dem zu machen, was sie heute ist.

Züge haben die Menschheit bewegt. Aber was bewegt die Züge? Was hat sie von riesigen Metallmassen in ein schnelles (und dennoch komfortables!) Transportmittel verwandelt? In einer Zeit, in der Energie angesichts potenzieller Engpässe, sehr wahrscheinlich exponentieller Spekulationen und unweigerlich steigender Nachfrage bei ungesicherter Versorgung vielleicht das meist diskutierte Thema auf dem Planeten ist, sollten wir einen Moment einhalten, um einen Blick in die Vergangenheit zu werfen und uns genauer ansehen, welche Energieformen Züge auf der ganzen Welt angetrieben haben – von der ersten Einfahrt in die Stadt Darlington im Jahr 1825 bis zum heutigen Netz von „Sky Trains“ in den Megametropolen.


„Nicht meckern, dafür sind die Tickets billiger!“

Am Anfang war Schweiß

Die erste Energieform, die der Zug jemals nutzte, könnten wir eigentlich beiseite schieben, da es sich nicht um eine „echte“ Energie handelte, sondern nur um unglückliche Arbeiter, die die ikonischen Handhebelwagen, die wir aus alten Wildwestfilmen kennen, mit Muskelkraft und Ellbogenschweiß über die Schienen bewegten. Der Grund, warum wir diese menschliche Ressource erwähnen, ist nicht nur, um eine vollständige Liste der verschiedenen Energien zu erstellen, sondern weil sie für die Lieferung der darauf folgenden Energiequelle zuständig war. Damals wurden die Draisinen vor allem für den Transport von Kohle aus den Minen genutzt – eben jener Kohle, die dann zur Dampferzeugung und zum Antrieb der Züge verwendet wurde, was wiederum die Heizer zum Schwitzen brachte.

Die ikonische Dampflokomotive B12 E mit „Bullenfänger“.

Ohne Kohle nix los!

Es ist kein Geheimnis, dass die ersten Züge von der am weitesten verbreiteten Energiequelle angetrieben wurden, dem fossilen Brennstoff schlechthin, der Kohle. Obwohl sie zum Feind der modernen Zivilisationen geworden ist, war die Kohle ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung der Menschheit: Sie lieferte Wärme und Energie, reicherte Metalle und Legierungen an und führte viele Gesellschaften von der ländlichen und landwirtschaftlichen Welt, in der sie lebten, zu städtischen und industriellen Megastädten. Auch wenn es dabei unbestreitbare Kollateralschäden gab (und immer noch gibt), sollten wir die Kohle nicht aus der Geschichte verbannen, nur weil wir sie nicht mehr nutzen wollen. Kohle war seit der Erfindung des ersten Kolbenmotors durch den Schotten James Watt bis etwa in die 1930er Jahre der bevorzugte Brennstoff für Züge. Es ist erwähnenswert, dass die Abkehr von der Kohle zugunsten eines anderen Energieträgers nicht über Nacht geschah, sondern gut 30 Jahre dauerte. Ebenfalls wichtig zu wissen: Kohlezüge waren Züge, die für den Transport von Kohle eingesetzt wurden (typischerweise im amerikanischen Nordwesten) und oft 2 oder sogar 3 Meilen lang sind (mit manchmal mehr als 150 Waggons!).

Die unsichtbare Energie

Man kann sie nicht sehen, nicht riechen, nicht hören, nicht anfassen, nicht schmecken, nicht speichern und doch ist sie unersetzlich. Was wie ein verworrenes Mysterium klingt, ist in Wirklichkeit eine faszinierende Energiequelle für die Geschichte der Menschheit und die der Züge: Elektrizität. Obwohl man Strom nicht wie Kohle abbauen kann und man eine andere Energieart braucht, um ihn zu erzeugen (zum Beispiel… Kohle!), wurde und wird Strom in großem Umfang für den Antrieb von Zügen genutzt. Das Wunder der elektrischen Züge verdanken wir einem Schotten namens Robert Davidson, der diese Technik 1837 erfand. Kaum zu glauben, dass unsere Vorfahren schon so früh in der Geschichte der Eisenbahn mit den heutigen Energiestandards arbeiteten (abgesehen von den Kohlekraftwerken, die den Strom erzeugten), aber man denke nur an die Straßenbahnnetze in den westlichen Hauptstädten, die ihre zahlreichen Motoren über Oberleitungen und Kabel antrieben.

Diesel – nicht nur eine Hosenmarke

Auf der Liste der ungeliebten Rohstoffe steht Diesel, gleich nach Kohle und noch vor Erdöl. Selten übertrifft der Sohn eines berühmt-berüchtigten Vaters den Älteren in einer Weise, wie es der Diesel mit dem Erdöl – aus dem er gewonnen wird – getan hat. Stinkend, fettig und umweltschädlich – die Liste ließe sich fortsetzen. Und doch war der Diesel das Mittel der Wahl, um alle Dampfmaschinen in den Ruhestand zu versetzen. Wir wissen, dass unsere Vorfahren dazu neigten, fast alles auf dem Altar der Effizienz zu opfern, und ob Umweltverschmutzung oder Krieg ein Nebenprodukt davon waren, schien sie nicht aufzuhalten. Und effizient war der Diesel, der seinen Namen einem besonders cleveren deutschen Ingenieurs (Rudolf mit Vornamen) verdankt. Der Diesel ermöglichte es Zügen, schneller zu fahren und weiter zu reisen, ohne auftanken zu müssen. Billiger, schneller, weiter – diese Argumente reichten aus, um den Dieselzug durchzusetzen.

Ohne Herrn Diesel zu nahe treten zu wollen, basiert das Konzept des Dieselmotors weitgehend auf dem „Petroleummotor“ des englischen Erfinders William Priestman. Einmal mehr zeigt sich, dass der Beitrag des Vereinigten Königreichs zur Wissenschaft und zur Eisenbahntechnik unendlich groß ist. Obwohl die Ablösung von Dampfzügen durch Dieselmotoren in den USA (wo diese Entwicklung vor der Ausbreitung auf den Rest der Welt stattfand) bereits 1930 begann und bis in die 1960er Jahre andauerte, fuhr der erste kommerziell genutzte Dieselzug der Welt 1912 in der Schweiz.

Wasserstoff betriebener Zug Alstom Coradia iLint auf der innoTrans 2016 in Berlin.

Nach zwei Jahrhunderten Rauch, zurück zum Schweiß

Seit 1825 wurde viel Kohle verbrannt, viel Diesel gepumpt und eine unvergleichliche Menge Rauch erzeugt. Im Jahr 2018 kam dann die Wende: Der erste Zug mit sauberer Energie wurde eingeführt. Deutschland, das technikbegeisterte und umweltbewusste Land, stellte den ersten kommerziellen, wasserstoffbetriebenen Personenzug vor. Der Alstom Coradia Lint kann in Niedersachsen gefahren werden, dem deutschen Bundesland, das bisher für seine Landwirtschaft, seine friedliebenden Bewohner und sein rollendes „R“ bekannt war und sich nun mit seinem „Hydrail“ weltweit einen Namen gemacht hat. Niedersachsen, ein Land der Traditionen mit einem offensichtlichen Gespür für den Fortschritt.

Seit den 1960er Jahren, als das Hochgeschwindigkeitsnetz eingeführt wurde (der französische TGV stellte einen Weltrekord von 547 km/h auf!), setzen die meisten Länder sowohl auf Diesel- als auch auf Elektrozüge. Und obwohl elektrische Züge von allen öffentlichen Verkehrsmitteln bei weitem am wenigsten Kohlendioxid ausstoßen (80-mal weniger pro Fahrgast im Vergleich zu einem nicht-elektrischen Auto!), dürfen wir die Art der Stromerzeugung nicht außer Acht lassen, denn auch wenn einige Produktionsmethoden sauber(er) sind, gehört zu anderen immer noch Kohle, und man kommt nicht umhin zu denken, dass der Betrieb elektrischer Züge mit Strom aus Kohlefabriken ein Paradoxon ist, das laut nach einer (öko-)logischen Alternative schreit.

Ein ziemlich alter und rudimentärer Elektromagnet (ca. 1899).

Und zu guter Letzt ein bisschen Futurama

Obwohl die Chinesen nie davor zurückgeschreckt sind, zur Deckung ihres massiven Energiebedarfs kohlebefeuerte Fabriken zu betreiben, haben sie auch ein echtes Talent für umweltfreundliche Spitzentechnologie. Dieses Talent, gepaart mit der Tatsache, dass sie über die weltweit größten Reserven an seltenen Erden verfügen, hat es ihnen ermöglicht, die „Rote Schiene“ zu entwickeln, eine ganz besondere Art von magnetischem „Himmelszug“. Ursprünglich erkannten die Ingenieure, dass Züge in der Luft, die auf einem Magnetschienensystem fahren, zwei große Vorteile haben: Erstens benötigen sie weniger Land und Immobilien als herkömmliche Gleise (immer ein willkommenes Plus in Megastädten), und zweitens wird weniger Energie für den Antrieb der Züge benötigt, da die Reibungskraft der Räder auf den Gleisen im Wesentlichen entfällt (auch dank des Magnetbahnsystems).

Bislang benötigten die riesigen Elektromagneten viel Energie für ihren Betrieb. Glücklicherweise trat das Element Nd mit der Ordnungszahl 60 auf den Plan und löste das bisher unüberwindbare Paradoxon von „sauberen“ Zügen und „schmutziger“ Energie. Das Element mit der Bezeichnung Neodym ermöglicht die Existenz gigantischer Magnete, der so genannten „Dauermagnete“.

Ohne die Kohle, die für den Antrieb der neuesten Züge benötigt wird, hätten wir nun zum ersten Mal ein wirklich sauberes System. Und angesichts des exponentiell schnellen Fortschritts werden wir wahrscheinlich keine weiteren 200 Jahre warten müssen, bis sich die neue Technologie durchsetzt. Es sei denn, wir erfinden zuvor die Teleportation…. Aber das ist eine andere Geschichte.